Deutsche Kolonialgeschichte und Straßennamen in München
  Über eine Reihe von Straßenbezeichnungen konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden als in der offiziellen Liste angegeben. Diese finden sich dann hier nicht mehr wieder. Schwerpunkt bilden die nach Personen benannten Straßen.

I. Deutsch-Südwestafrika
II. Deutsch-Ostafrika
III. Kamerun
IV. Togo, China, Samoa und Neuguinea

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III. Kamerun

"Die Erringung einer entscheidenden Marktposition im Hinterland von Kamerun blieb dem deutschen Handel allerdings so lange versagt, wie dem Gouverneur und den im Landesinneren tätigen deutschen Forschern die Machtmittel zur Brechung des Widerstandes der Zwischenhandelsvölker und damit zur völligen Beseitigung des Handelsmonopols dieser Völker versagt wurden. " (Nuhn, 121)
Die deutsche Herrschaft in Kamerun blieb zunächst vor allem auf die Küste und Küstennähe beschränkt – bis die Deutschen eine eigene bewaffnete Streitmacht zur Durchsetzung ihrer Interessen aufgebaut hatten.
Sowohl die Kolonialgesellschaften als auch das Kolonialamt machten Druck um die erwarteten Bodenschätze im Hinterland Kameruns ausbeuten zu können. 1891 war es soweit. Der Reichstag gewährte ein Darlehen um eine private Polizeitruppe für Kamerun aufzubauen. Hauptaufgabe dieser Truppe war es, Expeditionen und Vorposten, die die Ausbeutung Kameruns sichern und vorbereiten sollten, zu schützen und gegen die Einheimischen zu verteidigen.
Von 1891 – 1910 ist die Eroberung Kameruns durch das Deutsche Reich geprägt von einer Vielzahl von Expeditionen, Kriegshandlungen, Vergeltungszügen gegen Einheimische, Strafexpeditionen, Landraub usw. Die Leitung der zunächst privaten Polizeitruppe übernahm Hauptmann Baron von Gravenreuth. (Gravenreuthstraße, siehe auch Deutsch-Ostafrika)
"Gravenreuth galt als besonders tüchtig und erfahren in der Kolonialkriegsführung, hatte er doch bereits in der Truppe des Hauptmanns von Wissmann bei der Niederwerfung des Araberaufstandes in Deutsch-Ostafrika in den Jahren 1888/89 mitgewirkt. Gravenreuth sah die Anwerbung farbiger Söldner für die zu gründende Expeditions- und Polizeitruppe als vordringlichste Aufgabe an. Da er die Einstellung Kameruner Schwarzer für zu risikoreich hielt...begab sich der Hauptmann im August 1891, ohne die Bewilligung der Anleihe durch den Reichstag abzuwarten, nach Dahomey, um hier Leute für seine Truppe zu gewinnen. Dort angekommen kaufte er – in Absprache mit der Reichsregierung, aber ohne Wissen des Reichstages – dem König Behanzin von Dahomey 370 Sklaven und Sklavinnen aus verschiedenen Stämmen des Landesinnern ab....Die abgekauften Sklaven und Sklavinnen verpflichteten sich gegenüber Gravenreuth....die Loskaufsumme in einem Zeitraum von fünf Jahren durch unentgeltliche Tätigkeit im Dienste der Kameruner Kolonialverwaltung abzuarbeiten und hierbei jede ihnen aufgetragene Arbeit zu verrichten." (Nuhn, Kamerun unter dem Kaiseradler) Diese bildeten dann die Gravenreuthsche Polizei- und Expeditionstruppe.
Doch Gravenreuth beschränkte seine Tätigkeit keineswegs auf die ihm zustehende Begleittätigkeit für die geplante Adamaua-Expedition. Auftragswidrig unternahm er mit seinen sog. Dahomey-Soldaten sogenannte Strafexpeditionen und überfiel verschiedene Dörfer denen Fehlverhalten vorgeworfen wurde, brannte sie nieder und vertrieb die überlebenden Einwohner. Bei einer dieser Strafexpeditionen wurde von Gravenreuth am 3. November 1891 beim Sturm auf ein Dorf tödlich getroffen.
Die Methoden der Deutschen Kolonialherren in Kamerun wurden immer brutaler. Die entwürdigende Behandlung der Dahomey-Frauen durch Kanzler Leist führte am 15. Dezember 1893 zum Aufstand der Dahomeys. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, die Gefangenen Männer gehängt und die Frauen zur Zwangsarbeit abtransportiert. Der "Vorwärts", Zentralorgan der SPD schrieb am 8. Februar 1894: "Die deutsche Dahomey-Schande ist durch die amtlichen Berichte in ihrer ganzen Ausdehnung festgestellt worden. Es ist kein Zweifel mehr: Beamte des Deutschen Reiches, angeblich "Träger der Kultur" haben sich schlimmer benommen als die schlimmsten Barbaren; sie haben ein Verbrechen an der Menschheit verübt."
Eine Untersuchungskommission ermittelte noch weitere Verbrechen der deutschen Kolonialherren vor Ort. So wird über eine unter dem Assessor Wehlan im Dezember 1892 vorgenommene Strafexpedition von einem Augenzeugen berichtet: "Viele Hunderte Bakokos wurden aus ihren provisorischen Unterschlüpfen im Busch verjagt, zahlreiche Gegner nach kurzer Gegenwehr niedergeschossen, viele Weiber und Kinder niedergehauen. Bei Yadibo wurden einige Kinder erbeutet...Die Gegner setzten sich verzweifelt zur Wehr; die blutdürstigen Soldaten warfen sie aber über den Haufen, schossen und schlugen Männer, Weiber und Kinder unterschiedslos nieder...Die Wut der Soldaten kannte kaum Grenzen. Die Toten auf des Gegners Seite mochten 100 weit übersteigen. Fast jeder Soldat brachte zum Andenken ein Bakokohaupt nach der Beach."(Nuhn, 152)
Am Beispiel des Dahomey-Aufstandes wurde deutlich, welcher sadistischen Methoden sich die Beamten des Deutschen Reiches bedienten um die Interessen der Handelsfirmen durchzusetzen. Um weitere Aufständen besser begegnen zu können beschloss die Reichsregierung im Dezember 1893 ähnlich wie in Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika nunmehr auch für Kamerun eine Schutztruppe aufzubauen.
Die Schutztruppe war in den folgenden Jahren fast ununterbrochen damit beschäftigt, "Säuberungs- und Strafaktionen" gegen Stämme und Völker durchzuführen, die das Vordringen der weißen Kolonialherren behinderten oder bekämpften. Wie vielen Einheimischen diese Aktionen das Leben kosteten ist nicht bekannt, aber das Vorgehen kann gut aus dem obigen Zitat entnommen werden.

Hans Dominik – der "Schrecken von Kamerun"
(Dominikstraße)

Einer der Leiter von Säuberungs- und Strafaktionen – und zwar von 1892 – 1910 –war Premierleutnant Hans Dominik. Sein Grundsatz war:
"Die Neger müssen wissen, daß ich der Herr bin und der Stärkere; so lange sie das nicht glauben, müssen sie es eben fühlen, und zwar hart und unerbittlich, so daß ihnen für alle Zeiten das Auflehnen vergeht; ist das erreicht, dann kann man sie mit großer Freundlichkeit und Milde behandeln."
In seinen Erinnerungen schreibt Dominik über eine Säuberungsaktion die das Volk der Bakwiri für immer aus ihrem angestammten Gebiet vertrieb: "Fleißig wurde fortwährend die ganze Gegend ....abpatrouilliert...mancher Anhänger des Häuptlings mußte noch sein Leben lassen...der Stamm, der einst die ganze Gravenreuthsche Expedition fast vernichtet hätte war bald kaum mehr als dem Namen nach vorhanden...somit war ein gewaltiger Schritt vorwärts getan, der bald reichlich Früchte für die wirtschaftliche Hebung des ganzen Schutzgebietes zeitigen sollte."
Im März 1895 befehligt Premierleutnant Dominik die 1. Kompanie einer Truppe deren Aufgabe es ist, das Volk der Bakoko niederzuwerfen. Die Bakoko lebten in der Nähe der Küste und lebten vom Zwischenhandel zwischen Nordkamerun und der Küstenregion. Diese Funktion wollten die Deutschen Kolonialherren nicht akzeptieren, da ihnen damit die Ausbeutung des Kameruner Hinterlandes nicht möglich war. Die Strafexpedition führte zwar zu einer Zerstörung einer Reihe von Dörfern, aber die Bakoko konnten noch nicht endgültig besiegt werden.
Dominik verewigte diese Strafexpedition später in einem seiner Bücher: "Da saß ich nun...inmitten des brennenden Mpako. Krachend stürzten die brennenden Häuser zusammen, rot schlug die Lohe gen Himmel, Frauen und Kinder irrten ratlos umher, laut aufkreischend wenn sie auf einen ihnen bekannten Gefallenen stießen, denn echt afrikanisch – mit dem Bajonette - hatte die Sudenesen gearbeitet...hoch oben kreisten gierig krächzend, reicher Beute gewiß, die Aasgeier." (Petschull: der Wahn vom Weltreich, S. 148)
Dominik bekam den Auftrag, einen Verteidigungsposten in Yaunde zu errichten um die Ausbeutung Nord-Kameruns wenigstens in Ansätzen zu gewährleisten. In Yaunde gab es eine eigene Hinrichtungsstätte, genannt die "Dominik-Mauer"
"Eingeborene, die Widerstand gegen die weißen Herren geleistet hatten wurden hier grausam gefoltert bevor man sie oft lebendig in den Abgrund hinter der Mauer stieß; schwangeren Frauen wurde der Leib aufgeschlitzt; Männer wurden zerstückelt und die einzelnen Körperteile in den Abgrund geworfen. Die schwarzen Söldner, die diese Verbrechen im Auftrag der Deutschen begingen, wurden von jenem Offizier kommandiert, den die Buschtrommel "Schrecklicher Kerl" nannte...Major Hans Dominik." (Petschull,S. 153)

Dominik, inzwischen Oberstleutnant, wird im Januar 1897 Leiter einer Truppe, die den Auftrag hat, das Volk der Wute anzugreifen und zu "befrieden". Die Truppe, die ein schweres Maschinengewehr mitführt, sollte nach Ngila, marschieren und dort den gleichnamigen Herrscher der Wute, Ngila, festnehen wegen "Landfriedensbruches". Die Aktion wird zum Gemetzel.

Am 25. Januar 1897 befindet sich Dominik mit seinen Leuten in Ngila. Als der Anführer der Wute, ausrichten läßt, er habe keine Lust mit Dominik zu sprechen "er bade gerade", läßt Dominik in die umstehenden Krieger schießen. Mehr als 150 Wute werden sofort getötet, viele fliehen verwundet, die Ortschaft wird niedergebrannt – von Plünderern, wie Dominik später behauptet.
Ende 1901 wird Dominik beauftragt mit friedlichen Mitteln den Norden Kameruns zu bereisen und durch friedliche Verhandlungen möglichst viel Land zu erwerben. Dominik hält sich nicht an diese Vorgabe des Gouverneurs v. Puttkamer. Am 19. Januar 1902 geht Dominik – wieder mit Maschinengewehr bewaffnet gegen den Emir von Marua vor. Es kommt zur "Schlacht": ca. 500 Fulbe werden erschossen, die Verluste auf Seite Dominiks: zwei Soldaten.
Dominik hält sich bis 1903 wiederholt im Norden Kameruns auf. Seine Hauptaufgabe in dieser Zeit ist die offizielle Festlegung der West- und Ostgrenzen Kameruns, um das Deutsche Schutzgebiet klar von den Engländern und Franzosen abzugrenzen.
Das brutale und eigenmächtige Vorgehen Dominiks, das den Befehl, möglichst friedfertig im Norden Kameruns vorzugehen bewußt ignorierte führte im Januar 1903 dazu, daß sich Dominik wegen des Vorwurfs des grausamen Vorgehens seiner Truppe in Deutschland verantworten mußte. Er wurde zwangsbeurlaubt und von seinem Posten abgelöst. Mangel an Beweisen, vor allem aber der fehlende Verfolgungswille verhinderte eine Bestrafung Dominiks. Das gleiche gilt für alle anderen Schutztruppenoffiziere, denen brutales Vorgehen vorgeworfen wurde.
Im November 1906 wird er beauftragt die Makastämme nördlich des Nyong zu unterwerfen. Diese "Niederwerfung" dauerte bis zum Frühjahr 1907. Im nächsten erhielt Dominik den Dienstgrad eines Majors. Im Mai und Juni 1910 führte Dominik wieder einmal "Befriedungsaktionen" gegen die Maka durch. Am 16. Dezember 1910 starb Dominik auf der Rückfahrt nach Deutschland.
Hans Dominik wurde vor allem bekannt, weil er in zwei Büchern ("Kamerun – sechs Kriegs- und Friedensjahre in deutschen Tropen", Berlin 1901; "Vom Atlantik zum Tschadsee – Kriegs- und Forschungsreisen in Kamerun", Berlin 1908) seine Zeit in Kamerun beschrieben hat. Dominik war sicherlich eine herausragende Person der deutschen Schutztruppen in Kamerun. Zum einen, weil er verschiedene Sprachen und Dialekte beherrschte, die in Kamerun gesprochen wurden und weil er die politischen Verhältnisse in Kamerun einschätzen konnte. Zum anderen aber auch, weil er mit größter Brutalität und eigenmächtig vorging um die Interessen der Kolonialmacht Deutschland und der Wirtschaftsunternehmen, die in Kamerun investierten, durchzusetzen. Noch heute wird Dominik in Kamerun als der "Schreckensherrscher von Kamerun" bezeichnet. (Petschull, S. 148)


Siegfried Benker | siegfried.benker@muenchen.de